Von Mirjam Jentschke
Marketing-Teams werden immer agiler, um ihre Effizienz und Kundenzentrierung zu steigern. Wie verändert das die Zusammenarbeit mit Agenturen?
Unternehmen, die ihr Marketing agil aufstellen, werden zweifelsfrei an den Punkt kommen, sich auch über eine sinnvolle Integration ihrer externen Agenturpartner Gedanken zu machen. Das hat einen erheblichen Effekt auf die Zusammenarbeit. Das klassische Auftraggeber-Auftragnehmer Verhältnis weicht einer Partnerschaft auf Augenhöhe, die den Customer Value als oberstes Ziel hat. Unternehmen wollen sich, zumindest für bestimmte Teilbereiche, agil in cross-funktionalen Teams aufstellen. Und Agenturen sollen Teil dieser Teams sein. Die Verantwortung für das kreative Produkt, für die Kommunikationsinitiativen, den Content, die Kampagnen liegt in diesem Fall nicht mehr allein bei der Agentur, sondern bei dem Team. Das ist neu für Agenturen und es bringt Entlastung, aber es werden auch die Lorbeeren geteilt.
Warum sollten Kunden und Agenturen diese Veränderungen in Agenturauswahlprozessen aufgreifen?
Nachhaltige Kunde-Agentur Beziehungen mit langfristigen Partnerschaften geben Stabilität und schaffen Handlungsspielräume. Das Ergebnis: ein besserer Outcome. Kunden suchen daher Agenturpartner, die auch die Zukunft des Marketings, die von Transformation geprägt ist, mitgestalten können. Neue Wege den Kunden zu adressieren haben ihren Ursprung in der Zusammenarbeit zwischen Agentur und Kunde. Wenn diese Zusammenarbeit agil aufgestellt ist oder zukünftig agil aufgestellt werden soll, müssen wir versuchen dies auch im Auswahlprozess zu berücksichtigen. Tun wir das nicht, erhalten wir ein unvollständiges Bild von der Agentur und riskieren Fehlentscheidungen. Wenn ich ein neues Auto kaufe und die Probefahrt findet nur auf dem Parkplatz statt, dann kann ich mir auch kein vollständiges Bild zum Fahrverhalten machen.
Worin genau liegen die Unterschiede zu klassischen Auswahlprozessen?
Ich habe viele Jahre Agenturauswahlprozesse auf Kundenseite begleitet. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Agenturauswahl immer eine artifizielle Situation ist, die der Realität des Alltags wenig gerecht wird. Es gibt, anders als im Alltag, wenig Interaktion, stattdessen viel frontale Präsentation, viel Schaulaufen. Indem wir mehr auf Menschen fokussieren, zu mehr Augenhöhe finden und unmittelbarer werden bei der Agenturauswahl, können wir ein Stück Realität zurückbringen und eine bessere Entscheidungsgrundlage schaffen. Konkret heißt das, dass wir Kunde-Agentur Teams auf Basis von user stories miteinander arbeiten lassen, dass wir bei der Agenturauswahl bspw. agile Planning sessions simulieren. Das kann ergänzend zu klassischen Agenturpräsentationen passieren oder diese ersetzen. Je nach Inhalt und Umfang der zukünftigen Aufgaben.
Was müssen Agenturen und Kunden mitbringen, um Auswahlprozesse mit agilen Elementen zu meistern?
Vor allem braucht es auf beiden Seiten mehr Offenheit. In klassischen Auswahlprozessen versuchen Kunden und Agenturen sich von ihrer Schokoladenseite zu zeigen, das kann im Extremfall zu falschen Erwartungen führen. Wenn man agile Routinen einbaut, steht die gemeinsame Arbeit im Vordergrund, nicht die Selbstdarstellung. Kunden müssen innerhalb der Auswahlprozesse von dem bedingungslosen Perfektionismus Abschied nehmen. Es muss für Agenturen die Möglichkeit geben, innerhalb des Auswahlprozesses zu lernen. CMOs müssen dem Team mehr vertrauen und damit Entscheidung delegieren. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass Entscheidungen schneller getroffen werden. Auf Agenturseite bedeutet Offenheit, den Kunden am kreativen Schaffensprozess teilhaben zu lassen. Gerade wenn man sich noch nicht so gut kennt, fällt das schwer. Daher sollte man auch Zeit für das Kennenlernen ohne Agenda einplanen. Darüber hinaus ist es seitens der Agentur auch sinnvoll, sich mit agilen Routinen vertraut zu machen, vor allem aber sollten Agenturen und auch Kunden Talente ins Rennen schicken, die ein agiles Mindset mitbringen. Wer schon bei der Probefahrt aufs Gas drückt, wird auch künftig nicht enttäuscht und weiß, wo die Stärken des Partners liegen.
Über Mirjam Jentschke
Dr. Mirjam Jentschke erklärt, warum Agenturauswahlprozesse agiler werden müssen. Mit ihrer Beratung fautLefaire entwickelt sie agile Kollaborationsmodelle für Marken-Agentur-Teams und unterstützt Kunden bei der Auswahl externer Agentur-Partner.