Ein Pitch ist das wohl bekannteste Instrument zur Auswahl einer Agentur. Natürlich gleichen sich Pitches selten in allen Details. Dennoch können die hier skizzierten Phasen der Agentur Scholz & Friends Orientierung für einen solchen Prozess geben.

1. Anfrage

Bei Neugeschäftsanfragen unterscheiden Agenturen aktive und reaktive Projekte. Aktiv bemühen sich Agenturen beispielsweise per Kaltakquisen um Aufträge. Bei reaktiven Anfragen nimmt der Kunde Kontakt mit der Agentur auf, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu besprechen.

Wir empfehlen für den Erstkontakt einen persönlichen Anruf in der Agentur. Kunden werden in diesem Fall in der Regel am Telefon an einen Geschäftsführer oder verantwortlichen Kundenberater weitergeleitet oder zeitnah von diesen zurückgerufen.

No go: Warum Sie die angefragte Agentur beim Screening überhaupt dabei haben wollen, ist eine wichtige Frage. Wenn hierzu auf Kundenseite spürbare Ratlosigkeit vorherrscht, kann dies der Agentur ersten Aufschluss über die Ernsthaftigkeit und Motivation des Projekts geben.

2. Qualifizierung der Anfrage

Für die Bewertung der Anfrage zieht die Agentur vertraulich interne und externe Quellen hinzu. Das können Fakten zum Unternehmen, Markt- und Markendaten aus der Marktforschung oder auch ein Profiling der Entscheider auf Kundenseite sein. Zudem prüft die Agentur etwaige Konkurrenz- oder Interessenkonflikte mit ihren aktuellen Kunden.

Warum Agenturen Pitch-Anfragen ablehnen

Quelle: GWA Frühjahrsmonitor 2019
dunkelblau = sehr häufig , blau= eher häufig, grau = häufig

3. Juristische Begleitung

Viele Unternehmen verlangen für die Übersendung detaillierterer Informationen wie zum Beispiel dem Briefing vorab die Unterzeichnung einer Vertraulichkeitserklärung (Non-disclosure agreement). Diese wird von der Agentur in der Regel juristisch geprüft und nach der Freigabe des Syndikus unterzeichnet.

No go: Eine Vertraulichkeitserklärung mit unlauteren Bestandteilen wie überzogenen Konventionalstrafen oder Klauseln zur kostenlosen Übertragung von Nutzungsrechten machen für die Agentur eine Korrektur oder Neuverhandlung erforderlich.

4. Team-Setup

Die Agentur beginnt nach Eingang der Anfrage umgehend damit, das optimale Projektteam für die Aufgabe des Kunden aufzustellen. Dazu werden neben der individuellen Erfahrung und Eignung auch die Verfügbarkeiten geprüft.

5. Team Kick-off

Den immer komplexeren und diversifizierten Aufgaben folgend, sind Projektteams auf Agenturseite heute meist interdisziplinär und – bei Agenturgruppen – teils auch standortübergreifend zusammengesetzt. In einem gemeinsamen Kick-off treffen sich alle Beteiligten und tauschen die wichtigsten Informationen persönlich aus.

6. Initialer Kunden-Call mit Prozessabstimmung

Vor einem ersten Treffen mit dem Kunden bereitet die Agentur sich sorgfältig vor. Ein Call vor dem Meeting dient dazu, die Erwartungshaltung des Kunden noch genauer nachzuvollziehen und ein erstes Gefühl für den geplanten Prozess zu bekommen.

No go: Die Agentur sollte sich in die Prozessgestaltung einbringen können. Denn sie kennt die Parameter für einen erfolgreichen Pitch am besten. Werden Vorschläge oder Ergänzungen kategorisch nicht zugelassen, könnte der Eindruck entstehen, dass Sie als Kunde an einem bestmöglichen Pitch-Ergebnis im schlimmsten Fall gar nicht interessiert sind.

7. Vorbereitung des Chemistry Meetings

Neben einer Agenturpräsentation (den Credentials) werden bei einem Kennenlerntermin mit dem Kunden oft auch erste Fragen zur strategischen Herausforderung der Marke, zur Aufgabe sowie zur möglichen Zusammenarbeit erörtert. Nicht nur die Agentur, auch Sie als Kunde sollten sich auf dieses Treffen gut vorbereiten, zum Beispiel mit Fragen zur Agentur, dem Team und der Herangehensweise an die Aufgabe.

8. Chemistry Meeting

Nach einigen Telefonaten und Mails ist das erste persönliche Kennenlernen für Kunde und Agentur ein wichtiger Check, ob die Chemie zwischen beiden stimmt. Dies ist neben der Leistung im Pitch ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine langfristige Zusammenarbeit. Kunden sollten die Chance nutzen, die Agenturen dabei vor Ort zu besuchen. So entsteht ein noch umfassenderer, authentischer Eindruck. Agenturen bereiten hierfür meist einen Rundgang durch ihr Haus vor und stellen dem Kunden weitere für ihn relevante Kolleginnen und Kollegen aus Fachabteilungen vor.

No go: Ein Chemistry Meeting ohne die wirklichen Entscheider auf Kundenseite oder eine undurchschaubare Rollenverteilung zwischen den Stakeholdern macht es für die Agentur im nachfolgenden Projektverlauf nicht einfacher, relevante Stellschrauben für das Projekt zu verstehen und zu bedienen.

Toolbox

Checkliste: Was Sie vor einem Pitch klären sollten
Checkliste: Erfolgsfaktoren der Zusammenarbeit
Checkliste: Kriterien bei der Agenturauswahl

9. (Pitch-)Briefing

Liegt das gemeinsame Chemistry Meeting erfolgreich hinter Agentur und Kunde, steht dem Briefing der Agentur durch den Kunden nichts mehr im Wege. Die Agentur checkt neben der Vollständigkeit des Briefings jetzt auch noch einmal die formalen Aspekte wie Timings sowie Konditionen wie die Aufwandsvergütung für die Pitch-Teilnahme.

No go: Ein Briefing ohne klare Ziele und Budgetrahmen vermittelt der Agentur erste authentische Eindrücke einer späteren Arbeit für den Kunden. Mit einer vermeintlich kecken Aussage eines Marketingentscheiders im Briefing á la „Entwickeln Sie das Konzept einfach so als wären Sie in meiner Position“ geben sich Agenturen nicht zufrieden.

10. Strategische Reflexion des Briefings

In diesem Schritt wird das Briefing von der Agentur umfassend analysiert und hinterfragt. Sie sollten jetzt für Rückfragen zur Verfügung stehen und die Agentur eher mit zu viel als mit zu wenig Informationen versorgen. Oft werden auf Unternehmensseite viele Dinge als selbstverständlich vorausgesetzt. Tatsächlich hat die Agentur als neuer, externer Partner aber nur wenige Wochen oder Tage Zeit, sich in für sie meist noch unvertraute Sachverhalte einzuarbeiten.

11. Re-Briefing und Freigabe

Im Re-Briefing gleicht die Agentur ihr Verständnis der Aufgabe final mit dem Kunden ab und skizziert ihre weitere Vorgehensweise. Mit einer Freigabe des Proposals gibt der Kunde ’grünes Licht’ für die weiteren Arbeitsschritte. Im besten Fall erfolgt das Re-Briefing in einem persönlichen Meeting. Aus einem Gespräch ergeben sich oft weitere Anregungen und Impulse für den kreativen Prozess.

12. (Pitch)Team-Kick-off

Das Kick-off des Pitch-Teams erfolgt agenturintern. Die Agentur beginnt nun nach Auftragsklarheit und Kostenfreigabe mit der Arbeit. Agenturen sind sich der Vertraulichkeit der Projekte für ihre Kunden bewusst und verwenden für Pitches oft interne Codenamen. In Einzelfällen werden auditfähige Einzelvereinbarungen mit Mitarbeitern geschlossen. Trotz aller formalen Aspekte sollte der Kick-off seine inspirierende und motivierende Kraft nicht verlieren. Er kann je nach Aufgabe kombiniert werden mit Produkt-Tastings, einem Test-Shopping, Probefahrten etc.

13. Kreative Entwicklungsphase

Diese Phase ist der aufwändigste und arbeitsintensivste Projektteil. Neben der Arbeit im Kreativteam finden in der Agentur jetzt regelmäßige, ausführliche Abstimmungsmeetings mit allen Beteiligten statt. Darüber hinaus werden je nach Aufgabe weitere Teams aus Agenturen im In- und Ausland involviert sowie für Teilaufgaben Partner beauftragt.

14. Finanzkaufmännische Begleitung

Die Kundenberatung kümmert sich parallel zum Entwicklungsprozess gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Finanzbereich jetzt um das kaufmännische Angebot für die langfristige Zusammenarbeit. Hierbei sollte der Kunde einen genauen Scope of Work oder exemplarische Maßnahmen nennen, anhand derer die Eigenleistungen der Agentur kalkuliert werden sollen. Und auch hier helfen natürlich Budgetvorgaben. Zu viel Freiraum bei der Kalkulation erzeugt nur Intransparenz und am Ende eine fiskale Unvergleichbarkeit der Angebote.

No go: Wenn die Anforderungen für das kaufmännische Angebot an den Umfang einer Due-Diligence-Prüfung erinnern, kann sich die Agentur die Frage stellen, ob Interesse und Prioritäten des Kunde im Projekt eher auf einkäuferischen als strategischen und kreativen Fragestellungen liegen.

15. Schulterblick-Meeting mit dem Kunden

Schulterblicke sind ein kreativer Blick in die Werkstatt. Die Agentur teilt mit dem Kunden die bisher entwickelten Strategien, Konzepte und Ideen. Wichtig: Die Ausarbeitung ist dabei noch nicht final. Die Befürchtung auf Agenturseite ist deshalb, dass sich Kunden Ansätze in ihrer kommunikativen Wirkung nicht gänzlich vorstellen können. Trotzdem gewinnen Kunden einen besseren Eindruck über die Arbeitsweise der Agentur. Und die Agentur verschwendet keine weitere Zeit auf Ideen, die schon in dieser Runde oft aus formalen oder inhaltlichen Gründen nicht gefallen. So kann der Fokus auf die identifizierten Favoriten gelegt werden.

No go: Die Agentur bekommt beim Schulterblick einen Eindruck über die fachliche Kompetenz und Entscheidungsfreude auf Kundenseite. Deshalb macht ein Schulterblick ohne Entscheider und Entscheidungen keinen Sinn. Ein oberflächliches „Alles prima, macht weiter!“ will keine Agentur bei einem Schulterblick hören.

Woran scheitern Pitches in der Praxis?

Interview Thorsten Hebes

16. Finalisierungsphase

Nach dem Schulterblick geht die intensive Arbeit im Team auf Agenturseite weiter. Spätestens jetzt sollten auch alle Informationen für den finalen Präsentationstermin vorliegen: Wo und wann wird präsentiert? Wer vom Kunden wird dabei sein? Gibt es Vorgaben für Ausarbeitung und Präsentationsform? Welche Präsentationssprache wird präferiert? Wie viel Zeit steht für Präsentation und Diskussion zur Verfügung?

17. Finale Präsentation

Nun heißt es Daumen drücken! Die Agentur und der Kunde haben für diesen Termin viel Zeit und Energie investiert. Diese Arbeit hat Respekt verdient. Also spätestens jetzt bitte Laptops zuklappen und Handys ausschalten! Es geht darum, mit Ideen gemeinsam die kommunikative Zukunft der Marke und des Unternehmens zu gestalten!

18. Feintuning und Reworks

Je nach den Abläufen bei Kunde können im Auswahlprozess nach der finalen Präsentation weitere interne Präsentationen oder Marktforschung folgen. Wenn hierzu Anpassungen im vorgestellten Konzept notwendig sind, sollten diese vom Kunden stichpunktartig schriftlich gebrieft werden. Je nach Umfang wird dieser Arbeitsschritt vom Kunden separat vergütet.

19. „Finale“ Final-Präsentation

The same procedure … Wenn weitere interne Präsentationen der vorgestellten Konzepte im Unternehmen erforderlich sind, sind Agenturen in der Regel gerne dazu bereit. Das hat nichts mit Misstrauen zu tun. Sie wollen ihre Ideen und Gedanken in dieser frühen Phase der Zusammenarbeit einfach bestmöglich verkaufen.

No go: Wenn bei der final-finalen Präsentation plötzlich ein bis dahin unbekannter Top-Entscheider wie der Inhaber am Meeting teilnimmt, ist das für die Agentur eine tolle Chance. Wenn dieser jedoch weder Aufgabe noch Briefing kennt, ist es leider auch schon vorgekommen, dass mit diesem Termin der Prozess von vorne begann. In diesem Fall muss schnell über eine zusätzliche Aufwandsvergütung gesprochen werden.

20. Marktforschung

Konzepte und Kampagnen sind präsentiert, jetzt gehen Teile der Agenturpräsentation in die Marktforschung. Die Aufbereitung von Vorlagen für die Marktforschung ist für Agenturen Routine. Der Kunde sollte hierbei von der Erfahrung der Agenturen profitieren, gerade wenn es um die sinnvollste Aufbereitung der Konzepte geht. Die Möglichkeit an Fokusgruppen teilzunehmen, ist für Agenturen eine tolle Chance und wird als Vertrauensbeweis geschätzt. Ebenso können Agenturen mit ihrer strategischen Expertise bei der Interpretation der Ergebnisse unterstützen. Für diese Phase sollte ausreichend Budget für Agentur- und Fremdleistungen zur Verfügung stehen.

No go: Vorsicht ist geboten, wenn der Kunde an dem Testmaterial so signifikante Änderungen vornehmen sollte, dass die ursprüngliche Empfehlung der Agentur nicht mehr erkennbar ist. Wird hier wirklich nach neuen, progressiven Ansätzen für die Marke gesucht?

21. Entscheidung

And the winner is …! Zusagen und Absagen sollten grundsätzlich persönlich erfolgen. Nach der Information des Kunden an die Agentur, informiert diese je nach Vertraulichkeit das am Pitch beteiligte Team und in einem zweiten Schritt die gesamte Agentur sowie alle interne und externen Unterstützer.

No go: Als Agentur aus der Presse vom Ausgang des Pitches zu erfahren, ist extrem enttäuschend. Eine kurze Mail auf dem Weg in den Urlaub zumindest ein Zeichen von schlechtem Stil.

22. Feedback/Manöverkritik

Es gehört zum Pitchen dazu, auch mal zu verlieren. Dennoch können gerade auch verlorene Pitches für die Agentur und ihre Teams eine Chance sein, noch besser zu werden. Kunden und Agenturen sollten sich deshalb Zeit für ein abschließendes Gespräch nehmen. Schließlich sieht man sich ja erfahrungsgemäß immer zweimal im Leben …

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